Programm der Tagung

Am 20. Juli 1933 gelang dem deutschen Naziregime ein beachtlicher diplomatischer Erfolg. Mit der Unterzeichnung eines Staatsvertrages mit dem Vatikan durchbrach es die internationale Isolierung. National bedeutete dieses Datum den endgültigen Schulterschluss der Kirchen mit dem Nationalsozialismus. Während die evangelische Kirche zu den Wegbereitern und Unterstützern der NSDAP gehörte, war die katholische Kirche lange in kritischer Distanz zu den Nazis geblieben. Sie wusste, dass sie mit der angekündigten Gleichschaltung des Nazi-Regimes einen beachtlichen Teil ihrer Autonomie aufgeben musste.
Aber die Gemeinsamkeiten mit der faschistischen Regierung waren wichtiger. In Italien hatte sich die Kollaboration mit Mussolini bereits bewährt. Der Vatikan hatte einen Hügel in Rom erhalten, den er zum Staat erklären durfte. Dafür opferte der Vatikan den Faschisten die katholische Volkspartei (Partito Popolare Italiano) wie dann auch in Deutschland die Zentrumspartei – als parlamentarischen Arm der Katholiken.
In flammenden Predigten und Hirtenbriefen betonten nun die Kirchen ihre Gemeinsamkeiten mit dem Faschismus: Ein autoritäres anti-emanzipatorisches Weltbild, eine Rollenzuschreibung der Frauen als dienende Gebärende, ein unverhohlener Nationalismus, Sympathie für Rassismus, offener Antisemitismus und vor allem der Kampf gegen Bolschewismus, Kommunismus und andere atheistische Aktivitäten schweißten Kirchen und Nazi-Diktatur zum Schulterschluss zusammen. Die Kirchen akzeptierten den Holocaust, beteiligten sich an der Ermordung von Behinderten und segneten den deutschen Vernichtungskrieg.
Keine andere Großorganisation hat den Faschismus derart unbeschadet oder gar gestärkt überstanden wie die beiden deutschen Großkirchen.
Während der Weimarer Republik gab es Massenveranstaltungen von Sozialdemokraten und Kommunisten, die zum Kirchenaustritt mobilisierten. Fast alle dieser antiklerikalen Kritiker sind von den Faschisten ermordet oder vertrieben worden. Nach 1945 konnten die Kirchen weitgehend ohne Gegenwehr im Adenauerstaat ihre Position zu ihrer heutigen Macht ausbauen.
Die Tagung möchte die Bedeutung des Konkordats für Nazis und Kirchen beleuchten, die Rolle der Kirchen als Täterinnen während des Faschismus beschreiben und nachvollziehen, wie es den Kirchen gelungen ist, sich nach 1945 als Opfer des Faschismus zu verklären.


Ablauf der Tagung:

  • 10.00 Uhr Begrüßung durch Jörg Schnückel, Religionsfrei im Revier
  • 10.15 Uhr Hartmann Schimpf: Der italienische Faschismus als Vorbild für die deutschen Nazis, die Genese des Hitler-Vatikan Paktes – Vorstellung der Ausstellung zum Thema
  • anschl. Blick in die Ausstellung
  • 11.15 Uhr Dokumente zum Schulterschluss von Kirchen und Faschismus. Zusammengestellt von Martin Budich und Hartmann Schimpf
  • 12.00 Uhr Die Bedeutung des Konkordats Welche Interessen wurden geregelt, welche Auswirkungen hat es bis heute? Lektüre und Diskussion. Moderation: Gisela Neuland-Kreuz
  • 13.30 Uhr Dokumente zum Thema Kirchen und Faschismus: Holocaust, Euthanasie und Krieg. Zusammengestellt von Martin Budich und Hartmann Schimpf
  • 14.30 Uhr Lukas Mihr: Die Geschichte der Fuldaer Bischofskonferenz 1930-1945
  • 15.45 Uhr Lukas Mihr: Der Rattenpfad – Wie der Vatikan, das Rote Kreuz und der CIA die Flucht von Naziverbrechern nach Lateinamerika und Südafrika organisierten
  • 16.15 Uhr Abschluss-Debatte: Wie haben es die Kirchen geschafft, sich im öffentlichen Bewusstsein als Opfer des Faschismus zu präsentieren? Wie das Bild der Kirchen im Faschismus in Schulbüchern und anderen Trägern der Meinungsbildung verklärt wird. Welche Chancen zur Aufklärung gibt es?
  • 17.00 Uhr Ende der Tagung

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