Erfahrungen in einem Rathaus
von Berit&Manfred Such
Wenn man das Dortmunder Rathaus betritt, weist bereits das Türschild mit dem Dortmunder Wappen darauf hin, welcher Geist in diesem Haus wirkt.
Sternsinger dürfen ihre Segenswünsche sicher nicht erst seit 3 Jahren, wie die Schildchen ausweisen, dem Haus überbringen.
Die drei Buschstaben, die im Christentum ursprünglich für die biblischen Märchengestalten der so genannten „Heiligen drei Könige“, Caspar, Melchior und Balthasar, stehen, sollen vor Unheil bewahren.
Auch sollte die Buchstabengruppe schon mal als Schutzformel zur Abwendung verschiedener Krankheiten, von Kinderfieber bis zur Altersgicht, hilfreich gewesen sein.
„Schon“ in den 1950er Jahren war man offenbar zu der Erkenntnis gelangt, dass man einer wirkungslosen Schutzformel aufgesessen war. Eine neue Interpretation musste her. Aus der Buchstabengruppe wurde die Segensformel „Christus mansionem benedicat“ – Christus segne dieses Haus! Ob Kinderfieber oder Altersgicht an diesem Haus vorbeigegangen sind, ist bisher nicht untersucht worden.
Der Beschluss des Dortmunder Stadtrates, den Ev. Kirchentag 2019 mit 2,7 Mill Euro, plus erheblicher Sachleistungen, zu subventionieren segnet nicht die Stadt, sondern die, die überwiegend für kostenlose Segensspende bekannt sind – die Kirchen. Welche politischen Erkrankungen dahinter stecken, ist noch nicht bekannt. Sicher ist, dass der Ev. Kirche bzw. deren „Subunternehmen“ (Verein zur Förderung des Deutschen Ev. Kirchentages e. V.) ein Geldsegen beschert wird.
Bei der hohen Verschuldung der Stadt, die von einem Haushaltssicherungsgesetz bedroht ist und einer Kirche mit einem Milliarden-Vermögen, bewahrheitet sich Matthäus 13.12: „Dem wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat.“ Soweit Überlegungen zu Segen und Segenssprüchen.
Welcher Geist hinter den Entscheidungen der Rats- und Ausschussmitglieder steckt und über den Sitzungen der Gremien schwebte, zeigte sich in der Anhörung eines Vertreters des o. a. Vereins zur Förderung des Kirchentages.
In einem nach demokratischen Grundsätzen höchst bedenklichen Entscheidungsverfahren ließen sich die Abgeordneten in Art einer Verkaufsveranstaltung die angeblichen Vorteile anpreisen, die ein Kirchentag für Dortmund angeblich hätte.
Der Vortrag wurde von den „stadtragenden Parteien“ (SPD, CDU, Grüne) dankend und applaudierend entgegengenommen. Lediglich eine Opposition aus Linke, Piraten und AfD hatte kritische Nachfragen. Die CDU war schon bei diesem „Beratungsstand“ bereit, eine Beschlussempfehlung für den Rat abzugeben. SPD und Grüne signalisierten jedoch, angeblich noch Beratungsbedarf zu haben. So demonstriert man Seriosität nach außen?
Zur Abwendung von Gefahren für die Stadt, bat der Ausschussvorsitzende nach Schluss der „Anhörung“ den Kirchenvertreter, die Stadt mit ihrem Haushalt in seine Gebete einzuschließen.
RiR und das „11. Gebot“ waren mit dem „Moses“ 3 Tage durch Dortmund gezogen und bei den Menschen fast ausschließlich auf Zustimmung gestoßen, dass Kirchentage vom Veranstalter selbst zu zahlen und solche Glaubensfeste nicht mit Kultur- oder Sportveranstaltungen gleichzusetzen seien. Die Zustimmung zur „Mosesaktion“ war so groß, dass Menschen nach einem Bericht in der Dortmunder Presse zum „Moses“ kamen und den Protest unterschreiben wollten. Es wurden also Unterschriftslisten ausgelegt, die ursprünglich gar nicht geplant waren.
Alle Proteste und noch ein extra Appell an die Abgeordneten vor der Ratssitzung, die verfassungsrechtlich bedenkliche Subventionierung eines Kirchentages (Trennung von Kirche und Staat, Gleichheitsgrundsatz, gerechter und sparsamer Umgang mit Steuermitteln) abzulehnen, blieben erfolglos.
Auch, dass die Unterstützung des Begehrens der Kirchentagsveranstalter aus Reihen der Kath. Kirche in einem Pressebeitrag den eigentlichen Sinn solcher Veranstaltungen entlarvten, nämlich, den christlichen Glauben in die Mitte der Stadt und Gesellschaft zu bringen, dass es also um Missionierung geht, dürfte an der Ratsmehrheit vorbeigegangen sein.
Im Vordergrund der Beratung in der entscheidenden Ratssitzung stand bei den „stadtragenden Parteien“ der angebliche Imagegewinn der Stadt durch ein Glaubensfest. Ein Fest, das dem Ruf der Stadt, die in den Köpfen einiger Ratsmitglieder angeblich eine Hochburg des Rechtsradikalismus, eine rußgeschwärzte, sterbende Stadt des Kohlenpotts ist, etwas entgegen setzen soll.
Apropos Rechtsradikalismus, und das muss hier außerhalb der Tagesordnung zum Kirchentag und soll hier am Rande über den Geist und Segen dieses Rates gesagt werden:
Drei rechtsradikalen Abgeordneten gelingt es, faschistische Elemente in das Stadtparlament zu tragen. Mit Meinungs- und Redefreiheitsbeschränkungen und einem von Bedrohung geprägtem Klima im Umfeld des Rathauses scheint eine große Mehrheit um den Bürgermeister, der offenbar die Argumente ausgehen, drei Rechtsradikale disziplinieren zu wollen. Polizeiaufgebote bei Ratssitzungen im Umfeld des Rathauses, Sicherheitskräfte im Rathaus und auf der Zuschauertribüne, bieten eine Klima der Überwachung. Redebeiträge der Rechtsradikalen, selbst wenn sie nicht agitatorisch sind, werden durch fortlaufende Störungen der „Demokraten“ (Rudel-Husten und -Räuspern, Herumlaufen) gestört, dass man sich als Demokrat fremdschämen möchte. Alles unter Billigung eines Bürgermeisters, dessen Sitzungsleitung mit übelster Polemik, die den Beifall seiner Anhänger findet, nur so gespickt ist. Der Dortmunder Rat ein Beispiel, wie sich Demokratie selbst abschafft?
Zum Tagesordnungspunkt „Kirchentag“ nur immer wieder die Beschwörung des Imagegewinns für die Stadt. Als Höhepunkt dieser Ratssitzung soll hier aber noch ein zusammenhangloser, plötzlich in den Raum gestellter Redebeitrag einer CDU-Abgeordneten festgehalten werden, der sich wohl an die Gegner der Subventionierung richten sollte. „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun“! Vorgetragen und sonst nichts mehr!
Ein weiterer Höhepunkt war die Beschwörung christlicher Werte, die Leit- und Vorbild für die deutsche Jugend auch in der Zukunft sein müssten. Bei diesem, von Rechtsaußen vorgetragenem Beitrag blieb, der Ratsmehrheit offenbar das Husten im Hals stecken. Nach dem Beitrag stimmte der Rat mit dem Rechtsaußen gegen die Stimmen der o. a. Parteien für die Subventionierung des Kirchentage in Höhe von 2,7 Mill (gedeckelt) plus Nebenkosten!
Ob die GRÜNEN ihren Antrag, den Subventionsbetrag bei 2.7 Mill. Euro zu deckeln, wirklich aus Sorge gestellt haben, dass die Kirchentagsveranstalter Nachforderungen stellen könnten, oder dieser Antrag aus politischer Einfalt oder reinem „Grün-Populismus“ gestellt wurde, steht in den Sternen oder wissen die Sternsinger?
Wenn man sich um das Ansehen der Stadt sorgt und auf Imagegewinn Wert legt, kann man nur hoffen, dass die Tribüne des Ratssaals leer bleibt.
Zum Ende des Tagesordnungspunktes sandte der Bürgermeister eine Geste zum „Sachverständigen“ des Kirchentagsvereins, der auf der Zuschauertribüne die Sitzung verfolgt. Zurücklehnen im Sessel, dankbarer Blick nach oben, „das ist geschafft“ kann daraus interpretiert werden. Dafür gab es einen „verbindlichen Dank“ von der Tribüne an den Bürgermeister
Alles zum Segen der Stadt, der Gleichberechtigung, der Religionsfreiheit und für die Grundsätze unserer Rechtsordnung und Demokratie?
Bis 2019 fließt noch viel Wasser die Ruhr herunter und, glaubt man der Kanzlerin, wird sich unsere Republik in den kommenden Jahren verändern. Ob und wie 2019 Kirchentage und durch wen gefeiert werden, ist reine Spekulation. Man darf aber gespannt sein.
Übrigens, die Klebezettel auf dem Rathausschild stehen unter dem besonderen Schutz des Hauses. Der Klebezettel „- Gott – los – glücklich -“ muss laufend erneuert werden. Nur „- C + M + B -“ seien „normal“, wie ein Mitarbeiter des Rathauses unduldsam zu „- Gott – los – glücklich -“ bemerkte.
Was ist normal im Dortmunder Rathaus?