Reli adieu – Worum geht es?
Eine Erwiderung auf die Leserbriefkampagne Werler Religionslehrer
von Manfred Such
Es war scherzhaft gemeint, als ich beim Kooperationsgespräch nach der Anmeldung der Flugblattaktion bei der Polizei dem Polizeibeamten auf seine Frage, ob ich Gegendemonstrationen erwarte, erwiderte, dass ich mir vorstellen könne, dass der Werler Propst oder Religionslehrer als Gegendemonstranten auftreten könnten.
Was sich Religionslehrer dann nach typischer Anzeigerberichterstattung als Kommentar zur Flugblattaktion in selbiger Presse leisteten, habe ich mir nicht vorstellen können. Ich empfinde es als beschämend, wie sie sich äußern und das in einer Presse tun, die sie selbst in unserer gemeinsamen politischen Vergangenheit wegen tendenziöser Berichterstattung heftig kritisiert haben.
Ich hielt sie für Freunde.
Lothar Drewke, inzwischen pensioniert und Reinhard Lapornik-Jürgens, Schulleiter am Galilei-Gymnasium und Lehrer für kath. Religion, fallen in ihren Leserbriefen nicht nur über die Flugblatt-Aktion her.
Worum ging es bei der Aktion?
Die Schülerinnen und Schüler sollten darüber aufgeklärt werden, dass sie, sowie die Eltern, die Möglichkeit haben, sich, bzw. ihre Kinder, vom Religionsunterricht abzumelden. Eine Möglichkeit, die mit gutem Grund den Schülerinnen und Schülern offen gelassen wird, um sich einer religiöser Einflussnahme entziehen zu können.
Wenn Religionsunterricht im Grundgesetz verankert ist, widerspricht das dem Grundsatz einer staatlichen Neutralität in Glaubens- und Religionsfragen. Denn Religionsfreiheit heißt auch, frei von Religion sein zu dürfen. Das zu verdeutlichen, war Ziel der Aktion, die im Flugblatt zusätzlich mit Informationen über die staatliche Finanzierung des Religionsunterrichts sowie der Religionslehrer untermauert wurde. Dazu musste auch auf die Einflussnahme der christlichen Religionsgemeinschaften und der Ungleichbehandlung gegenüber anderen als christlichen Religionen hingewiesen werden und auch darauf, dass dieses Religionsunterrichtsmodell auch von denen mitgetragen werden muss, die keiner oder einer nichtchristlichen Religionsgemeinschaft angehören oder mit Glaubensfragen nicht behelligt werden möchten. Das dürfte inzwischen eine große Mehrheit in der Bevölkerung sein. Insgesamt geht es um Gerechtigkeit und Freiheit. Auch, dass Religionen nicht unbedingt toleranz- und integrationsfördernd sein dürften und der Inklusion widersprechen, wurde im Flugblatt dargelegt.
Da mir der Schuleiter des Mariengymnasiums persönlich bekannt ist, war es für mich ein Gebot der Fairness, ihn über die Aktion vorab zu informieren und ihm das Flugblatt bekannt zu geben. Die Aktion lief wie erwartet. Erfahrungen, die Aktivisten in einer ähnlichen Aktion in Düsseldorf gemacht hatten, waren der Hintergrund, die Aktion als Demonstration bei der Polizei anzumelden, da damit zu rechnen war, dass sich Lehrerinnen/Lehrer über Meinungsäußerungen in der Öffentlichkeit beschweren würden. Welches Bild von einem Demokratieverständnis tritt damit hervor?
Es konnte bei der Aktion am Mariengymnasium allerdings die Erfahrung gemacht werden, dass von zwei Lehrern ungeteilte Zustimmung kam: „Damit rennen Sie bei mir offene Türen ein“, ihr Kommentar zum Flugblatt.
Der hysterisch vorgetragen Protest einer Lehrerin äußerte sich mit Gekreisch: „Dürfen Sie das hier? Wer hat das genehmigt? Weiß das die Schulleitung?!“
Die Polizei bestreifte die Aktion gelassen.
Die Schülerinnen und Schüler zeigten sich mehr oder weniger interessiert, viele reagierten ängstlich.
Der Schulleiter ging höflich in die Offensive, lud zum Kaffee ein, nachdem er zwei Religionsstunden gegeben und das Flugblatt angeblich zum Thema gemacht habe. Da Kinder aus dem Flugblatt Schiffchen gefaltet hätten, habe er die Gelegenheit genutzt, mit den Kindern die Schiffchen im nahen Salzbach schwimmen zu lassen. Wenn man so hinterfragenden und sich mit dem Problem auseinandersetzenden Religionsunterricht versteht, wirft das Fragen auf.
Beim Kaffee verriet uns der Schulleiter ein Geheimnis zum Religionsunterricht mit 16 verschiedenen Religionen an seiner Schule und bat ums Verschweigen, da er sonst Schwierigkeiten mit „Paderborn“ bekommen könne. Versprochen ist versprochen!
Die Einladung, an einem „Religionsunterricht“ teilzunehmen, wurde gerne angenommen. Es zeigte sich in der Diskussion von Beginn an, dass Glaubensfragen sehr schnell in den Hintergrund traten und dass versucht wurde, Kritik an der Institution Kirche vorzutragen, Probleme aufzuzeigen aber auch abzuwiegeln. Es wurde allerdings deutlich, dass wenige Informationen über Religionen und deren Inhalte oder über die Institution Kirche vorhanden waren. Schüler: „Die Kirchen leisten mit dem Unterhalt von Krankenhäusern einen sozialen Beitrag in unserer Gesellschaft, der ohne sie nicht möglich wäre!“ Anderer Schüler: „Ich fühle mich durch das Kreuz in diesem Klassenzimmer genauso wenig indoktriniert wie durch das Bild des Cicero, das im Lateinunterrichtsraum hängt!“
Die Festigkeit im Glauben, im christlichen Glauben, trat immer wieder hervor. Eine Schülerin: „Man darf die Bibel nicht wörtlich nehmen. Es werden uns dort Botschaften übermittelt!“ Alles in Anwesenheit des Religionslehrers, der damit genügend Stoff für seine nächsten Religionsstunden haben dürfte.
Fazit dieses kurzen Moments einer Religionsunterrichtsstunde: Glauben statt Wissen!
Zu den Einlassungen Lothar Drewkes, die sich Reinhard Lapornik-Jürgens zu eigen macht und ergänzt nur soviel:
Vorab, es liegt mir fern, jemand religiösen Wahn zu unterstellen.
Lothar Drewke kommt in seiner Hetzschrift zu dem Fazit: „Der Religionsunterricht als Navi im Dschungel religiösen Wirrwarrs ist unverzichtbares Unterrichtsfach!“ Welchen Religionsunterricht meint Lothar Drewke, wenn man sich nur auf den Wirrwarr der christlichen Religionen bezieht? Er spricht von religiösen Falschmünzern und meint, dass seine christliche Religion echte Goldmünzen prägt? Wie geschichtsvergessen muss man sein, zu ignorieren und bis heute zu verschweigen und zu verfälschen, dass es christliche Religionen waren, denen die Verbrecher des Nationalsozialismus anhingen, und christliche Kirchen, christliche Parteien und christliche Politiker den Verbrechern zur Macht verhalfen, zum Holocaust geschwiegen und bis zum Schluss für den Führer gebetet haben? Sollen die Blutspur und die Kriminalgeschichte des Christentums, sollen die Hassprediger á la Martin Luther, die zweifelhafte Morallehre der kath. Kirche, Halt und Orientierung geben? In welchem „metapysischen Himmelszelt“ lebt Lothar Drewke und merkt nicht, die Verbrechen der Religionen ignorierend, dass er ethischer Analphabet sein könnte? Ich würde mich schämen, einer Organisation christlicher Kirchen in Deutschland anzugehören.
Und das hat nur mit dem oben gesagtem zu tun und nicht mit meiner so genannten „christlichen Sozialisation, wie mein Freund Reinhard Lapornik-Jürgens meint.
Den Religionsunterricht aus den 50er und 60er Jahren, den Reinhard Lapornik-Jürgens in seinem Leserbrief anführt, habe ich nicht erlebt. Ich habe auch nichts aufzuarbeiten, weil sich diese Bibel- Religions- und Katechismus-Geschichten, wenn man über das Kindesalter hinauswächst, selbst zu denken beginnt, von selbst verarbeiten und erledigen. Es sei denn, man bleibt Kind und verfestigt auch noch seinen Kinderglauben durch pseudowissenschaftliches Studium (Theologie), biegt sich den größten Unsinn der Glaubenslehre zurecht, passt sich, wie die Kirchen, den Forderungen einer aufgeklärten Gesellschaft an, und nennt schließlich diese Forderungen, die gegen den Widerstand der Religionen und Kirchen erkämpft wurden, „christliche Werte“. Solcher „Sinnrucksack“ ist zwar nicht leer, aber voller Müll.
Ich schäme mich für meine Freunde.
Links zu den Artikeln:
Anzeiger Bericht zur Flugblattaktion
Leserbrief Drewke zur Flugblattaktion
Leserbrief Lapornik zu Reli-adiue
und sie Gegenargumente von RiRlern: