Der Herr Pfarrer wagt ein Experiment
Unter dem Titel „phil.PODIUM – erstes philosophisches Podiumsgespräch in der Pauluskirche.
Ein Buddhist, eine Atheistin und ein Pfarrer im Gespräch“ fand am 10.10.2013 um 18 Uhr in der Pauluskirche ein, aus atheistischer Sicht, sehr interessanter Abend statt.
Die evangelische Pauluskirche unter Leitung von Pfarrer Friederich Laker ist eine im Raum Dortmund für ihr Engagement bekannte „Veranstaltungskirche“. Dort wurde unter anderem vor drei Jahren das etwas missglückte Experiment „erster Kirchentag – Mensch und Tier“ versucht aber auch sehr erfolgreiche Veranstaltungen mit diversen Künstlern – vor allem aus den Bereichen Pop- und Rockmusik – werden regelmäßig durchgeführt.
Am 10.10. nun fand dort die erste philosophische Podiumsdiskussion im Rahmen der neuen Veranstaltungsreihe „phil.podium“ statt. Geladen zum Podium waren neben Pfarrer Laker für die christliche Fraktion, Lama Tsewang für den Buddhismus und Daniela Wakonigg für die atheistische Weltsicht. Moderiert wurde die Veranstaltung von der Philosophie-Lehrerin Tanja Ansari. Natürlich stand die Kirche allen Interessierten offen und so wagten sich auch viele Säkulare offen diskussionsfreudig, in die „Höhle des christlichen Löwen“, oder war es in den „Bauch des christlichen Wals“?
Wie war es denn überhaupt soweit gekommen, dass Atheisten in eine Kirche eingeladen wurden?
Am 11.7. erreichte die Initiative „Religionsfrei im Revier“ eine Mail, die wie folgt begann:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
vielleicht erscheint es Ihnen auf den ersten Blick überraschend, dass Sie von einem Pfarrer (einer Dortmunder Kirchengemeinde) eine Einladung erhalten. Wir laden allerdings –zusammen mit der Initiative „Philosophische Abende“ (…) am 10. Oktober 2013 zu einem Philosophischen Podium ein, in dem unterschiedliche Weltanschauungen miteinander ins Gespräch gebracht werden. (…) Die Position des ATHEISMUS, für die der IBKA und die Giordano Bruno-Stiftung steht, ist uns dabei besonders wichtig!“
Na, das hörte sich schon mal interessant an und ließ die „gläubig Minderbemittelten“ aufhorchen.
Es stellte sich natürlich die kritische Frage, ob dort Christen auf der Suche nach rhetorischen Crash-Test-Dummies waren oder ob wirklich ein ernst gemeinter Angebotsversuch zu einem offenen Dialog vorlag.
Um es vorwegzunehmen, die zweite Variante war wohl eher der Fall.
Von atheistischer Seite wurde mit Daniela Wakonigg, der münsterländischen Regionalbeauftragten des IBKA und Fördermitglied der GBS, als auch studierter katholischer Theologin, Philosophin und Germanistin ein argumentativ und rhetorisch potentes säkulares Geschütz in Stellung gebracht.
Pfarrer Friedrich Laker warf seine seelsorgerische christliche Ausbildung und, wie sich herausstellte, eine ordentlichen Portion soziales Engagement und links-liberaler Weltsicht in die Waagschale der Diskussion.
Lama Tsewang stellte sich als Suchender zwischen den weltanschaulichen Universen vor. Als Sohn eines Imam hatte er eine islamische Sozialisation hinter sich, bevor er sozusagen in die Welt hinaus zog, um Antworten auf die ihn bewegenden Fragen zu finden. Letztendlich war es wohl die Persönlichkeit seines buddhistischen Lehrers, die ihn Buddhist werden ließ. Hätte dieser Mann einer anderen Weltanschauung angehört, so wäre der Lama ihm wohl auch dorthin gefolgt.
Daniela Wakonigg begann nach kurzer Begrüßungs- und Einführungsrede durch die Moderatorin die Gesprächsrunde mit einer kurzen Zusammenfassung ihres Werdegangs und ihrer Entscheidung zum Atheismus. Eine von Kindesbeinen an neugierige und suchende Lebenseinstellung führte sie zum rationalen und wissenschaftlichen Denken und ließ einfach keinen Platz mehr für ein dualistisches Weltbild. Ratio, Evidenz und Empirie geben ihr mehr und nachvollziehbarere Antworten als es ein „Glaube“ je kann.
Pfarrer Laker ließ nach seinen ersten Äußerungen zumindest beim säkularen Teil des Publikums einige Münder erstaunt und ungläubig offen stehen. Seine „Schäfchen“ mögen den doch recht unkonventionellen Umgang mit seinem Glauben schon gewohnt sein, aber die kirchenfernen Besucher hatten dann doch erst mal einiges zu schlucken. Die Vorstellung eines personalen Gottes, eines zornigen, eitlen, selbstsüchtigen und Menschen-überwachenden Gottes, lehnte er rundheraus ab und ließ, wenn überhaupt noch, maximal einen gesunden Pantheismus durchblitzen.
Lama Tsewang schilderte, wie für seinen Berufsstand üblich, mit einem durchgehend seligen Grinsen seinen Werdegang und schweifte in buddhistisch üblicher Manier von einem Gleichnis zum nächsten Anekdötchen und verpasste so doch des Öfteren den Kern der ihm gestellten Frage.
Es wurde dem Publikum schnell klar, im Prinzip lagen die Ziele und Erwartungen im Leben der drei Podiumsteilnehmer nicht weit auseinander.
Daniela Wakonigg fasste es dann letztlich auch kurz, knapp und für Ruhrgebietsverhältnisse passend zusammen: „Ich will kein Arschloch sein!“
Humanismus auf den Punkt gebracht!
An dieser Stelle wurde klar, es gibt doch viel Gemeinsames. Die Erfahrung zeigt aber leider auch, dass gerade von religiöser Seite ähnliche Positionen oft in der Öffentlichkeit eingenommen werden, um mit einem Mindestmaß an Opportunismus nicht gleich ins gesellschaftliche Aus befördert zu werden. Dieser Eindruck entstand hier aber nicht.
Da die Diskutanten sich in den wesentlichen Punkten zumindest nicht uneins waren, schien es langsam schwer zu werden, mit einer für die allgemeine Spannung notwendigen Kontroverse weiter zu kommen. Durch Kritik und Fehler lernen wir, nicht durch gegenseitiges rhetorisches Schulterklopfen und Zustimmen, das schafft zwar eine nette und heimelige Atmosphäre, bringt den Diskurs aber nicht weiter.
Also erst mal ab in die Pause. Kartoffel- und Chilisuppe, Brüh- und Bratwurst sowie verschiedene Getränke wie (Mess-?) Wein, Bier und Nicht-Alkoholisches gab es im Kirchgarten.
Die beiden ebenfalls anwesenden IBKA-Vorstandsmitglieder wurden in der Pause von einer schalkösen Vision gepackt und konnten es nicht unterlassen, Pfarrer Laker ob seiner Ferne zur „heiligen Schrift“ und seiner durchweg kritischen Einstellung zum Moloch Kirche als quasi Zwangskonfessionalisiertem eine außerordentliche Mitgliedschaft im IBKA anzubieten. Es steht zu befürchten, dass sein fröhlich schallender akuter Lachanfall noch in ferner Zukunft die Kirchengemäuer heimsuchen wird und hoffentlich daran erinnert, dass man sich vor allem mit Humor im Sinne der Menschlichkeit verdient machen kann.
Nach der Pause ging es mit gesammelten Publikumsfragen weiter. Schriftlich konnten Fragen in der ersten Hälfte des Abends eingereicht werden. Diese Fragen sollten jetzt in der zweiten Hälfte der Podiumsdiskussion beantwortet werden. Leider reichte die Zeit nicht, um mehr als 3 oder 4 Fragen zu beantworten. Hier wäre eine offene Diskussion mit dem Plenum für viele Teilnehmer wahrscheinlich interessanter gewesen.
Auch nach Ende der Veranstaltung gab es in kleinen Grüppchen noch viele interessante Diskussionen, das Angebot des Pfarrers, weiter im Dialog zu bleiben, und die Einladung, an weiteren Diskussionsabenden teilzunehmen.
Die Podiumsgäste waren übrigens ausdrücklich dazu aufgefordert worden, Infomaterialien ihrer jeweiligen Organisationen mitzubringen und auszulegen. So lagen dann auch reichlich Flyer, Broschüren und Aufkleber von „Religionsfrei im Revier“, dem IBKA und der GBS aus. Ob es nun die „Gottlos Glücklich“-Aufkleber, die Aufklärungs-Broschüre der GBS, RiR-Flyer oder der politische Leitfaden des IBKA waren, alles ging in bisher nie dagewesenen Mengen weg wie warme Semmeln.
Der Autor dieser Zeilen hatte nach dem Abend ein weiteres Erfolgserlebnis zu verkünden. Trotz jahrzehntelanger Kirchenabstinenz trog ihn seine Erinnerung aus der Kindheit nicht: Nach vierstündigem Kirchenmöbelgebrauch ist so eine Bank verdammt unbequem!