Offener Brief

Als Reaktion auf diesen Artikel von Dr. Peter Klasvogt:

 

 

 

Manfred Such

ehem. MdB, Dipl. Verw.-Wirt, EKHK i. R.

 

Dortmund, den 02. 10. 2012

 

Herrn

Dr. Peter Klasvogt

Kommende Dortmund

44309 Dortmund

 

Sehr geehrter Dr. Peter Klasvogt,

als Neubürger in Dortmund habe ich Ihren Beitrag in den Ruhrnachrichten unter der periodischen Rubrik „Gott und die Welt, mit dem Titel „Hilfe, sie glauben! – Meinungsmache mit Tabubrüchen gefährdet den sozialen Frieden“ mit einigem Erstaunen zur Kenntnis genommen.

Es sei eine sublime Art von Kulturkampf im Namen von Presse- und Meinungsfreiheit Andersdenkende und vor allem Andersgläubige (das „anders“ wollen Sie weglassen), „herabzuwürdigen, zu verunglimpfen und sie möglichst wirkungsvoll in dem treffen, was ihnen heilig ist, ohne selbst belangt zu werden“.

Als erstes Beispiel führen Sie die Mohammed-Karrikaturen an und kommen damit zu Ihrem ersten Fehlschluss.

Zur Erinnerung, die Mohammed-Karikaturen waren eine relativ harmlose Antwort auf Gläubige (das „anders“ oder „irr“ oder „fanatisch“ oder „fundamentalistisch“ oder „konservativ“ lasse ich jetzt mal weg), die sich auf „ihren“ Propheten beriefen, als sie meinten, Ungläubige (aus ihrer Sicht) durch die Anschläge vom 11. September mit in den Tod reißen zu müssen. Solche Gläubige fühlen sich bis auf den heutigen Tag (siehe Anschläge auf buddhistische Tempel) berufen, durch Mord und Terror die „Ehre ihres Propheten“ verteidigen zu müssen.

Ich halte es für infam, die Reaktionen auf das Handeln und Denken solcher gläubigen Terroristen als Herabwürdigung und Verunglimpfung zu bezeichnen!

Einem weiteren Irrtum unterliegen Sie in dem Konstrukt, in dem Sie eine Verbindung zwischen den Mohammed-Karikaturen und dem so genannten „Hassvideo“ herzustellen versuchen.

Mit diesem „Hassvideo“ gelingt es, Gläubige gegen Gläubige, also Muslime gegen Christen aufzuhetzen, die dazu auch noch meinen, sich auf Presse- und Meinungsfreiheit berufen zu können, die sie anderen wiederum absprechen.

An dieser Stelle muss ich Sie bereits fragen, wer den sozialen Frieden, den Frieden überhaupt stört? Gläubige?

Unsäglich geht es mit Ihren Schlussfolgerungen zur Beschneidungsdebatte weiter, die sie als unselig bezeichnen und Debattenbeiträge als Schwadronieren von „religiös desinteressierte bzw. analphabetische Retter der Säkularität“ diffamieren und ihnen Respektlosigkeit vorwerfen. Dass Sie sich in der Formulierung auf Frau Knobloch beziehen, will ich nicht als Feigheit bewerten.

Mit Verlaub, es muss erlaubt sein, eine Tradition (Initiation mit Gott?), wie die Beschneidung der Sexualorgane von unmündigen Jungen und Mädchen, ich bezeichne sie als archaisch und unmoralisch, als Körperverletzung zu werten, wie das Kölner Richter und viele Mediziner und Sozialwissenschaftler getan haben. Das kann nicht tabu sein und als Tabubruch kritisiert werden.

Auch „Initiationsriten“ einer Religion haben sich entwickelt und entwickeln sich weiter und dürfen hinterfragt werden, oder meinen Sie, dass ein Gerichtsurteil unter Berufung auf unsere Rechtsordnung den sozialen Frieden störe oder jemand verunglimpfe?

Sie fahren fort in der Klage über die Cover-Darstellungen eines inkontinenten, mit Fäkalien beschmierten Papstes und unterstellen, hier ginge es darum, Heiliges (Heiliger Vater) und damit Glauben in den Schmutz zu ziehen.

Die Karikatur bezog sich in keiner Weise auf irgendwelche Glaubensinhalte oder auf die Position von Herrn Ratzinger als Papst Benedikt XVI. Sie hatte Herrn Ratzinger als Staatsoberhaupt eines Staates auf dem Korn, in dem, zurückhaltend formuliert, mafiöse Zustände herrschen sollen, die durch „undichte Stellen“ aufzubrechen drohen.

Die Karikatur können Menschen als geschmacklos und auch als beleidigend (der Person) empfinden. Mit Glauben oder Religion hat die Karikatur gar nichts zu tun.

Sie befürchten, dass Zug um Zug die zivilisatorischen Errungenschaften unseres Gemeinwesens zerstört werden und behaupten, dass die gerade auf der Wertebasis jüdisch-christlichen Erbes begründet sei?

Dieser immer wieder aus Ihrer Richtung vorgetragenen Behauptung muss entschieden entgegen getreten werden. Jüdisch-christlich war in den vergangenen 2000 Jahren wie Feuer und Wasser, und der Hass der Christen auf alles Jüdische hinterlässt in der Geschichte bis in die jüngste Vergangenheit Millionen von Opfer.

Alle unserer Werte (in der kath. Kirche sind sie bis heute nicht voll angekommen), Demokratie, Meinungsfreiheit, Gleichberechtigung und Humanismus, mussten gegen den Widerstand der Amtkirchen mühsam erkämpft werden.

Toleranz klagen Sie ein? Toleranz war noch nie das Markenzeichen von Gläubigen (hier können Sie das Weggelassenes einsetzen, s. o)! Und Ihre Behauptung, die Tugend der Toleranz erwachse aus religiöser Überzeugung, wird durch die Auseinandersetzungen und durch den Terror, mit denen sich Gläubige überschütten, widerlegt.

Als religionsfreier Mensch toleriere (ertrage) ich die öffentlich zur Schau gestellten Rituale von Gläubigen, ihre demonstrativ getragene Bekleidung zur öffentlichen Bekundung ihres Glaubens, ihren Zwang, mich ihren Feiertagsriten anzupassen oder aber mich demutsvoll, bei was weiß ich für unsinnigen Gebräuchen, zurückzuhalten.

Religiöse Gefühle dürfen nicht verletzt werden?

Dürfen Menschen, die keine Religion haben, durch religiöse Praktiken, Darstellungen und durch Ausgrenzungen in ihren evolutionär humanistischen Gefühlen und in ihrer Vernunft verletzt werden?

Ich ertrage, durch religiöse Lautäußerungen belästigt zu werden.

Ich ertrage es, dass unsere Medien immer mehr zum Sprachrohr von Religionen und deren Verlautbarungen ungeprüft veröffentlicht werden.

Ich ertrage, dass Gläubige unseren Kindern in öffentlichen Schulen ihren Glauben aufzwingen und sie erziehen, auch dem Unsinn Ehrfurcht, Respekt und Demut entgegen zu bringen.

Ich ertrage, obwohl ich keine Kirchensteuer zahle, dass Religionsgemeinschaften, deren Repräsentanten und deren Hilfsorganisationen, aus dem Staatshaushalt bezahlt werden und sich die Hilfsorganisationen mit den Mitteln der Staatssteuer (mindestens Ansehens-)Vorteile verschaffen.

Ich beobachte, dass der soziale Frieden, der Frieden überhaupt, durch die Auseinandersetzungen von Gläubigen auf der ganzen Welt gestört wird.

An dieser Stelle ist Toleranz fehl am Platze.

Mit religionsfreien Grüßen

 

Manfred Such

 

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